Groß-glockner

Großglockner, Juni 2016

Schneeflocken im Sommer – Hochtourenkurs am Fuß des Großglockners

Nach unserem Bergsteigerkurs im Sommer 2015 wurde rasch klar, dass wir höher hinaufsteigen wollen. Also buchen wir im Februar 2016 den Hochtourenkurs am höchsten Berg Österreichs, dem Großglockner. Fünf Monate müssen wir ausharren, bis es endlich am Großglockner losgeht.

Die Spannung und Vorfreude steigt, doch findet der Hochtourenkurs überhaupt statt? 

Bei feinstem Badewetter sitzen wir in München an der Isar und schauen uns die Wettervorhersage für unseren ersten Hochtourenkurs an, überzeugt, dass der Deutsche Alpenverein ihn in letzter Minute absagen wird. Niemand würde doch wohl auf die Idee kommen, jemanden bei vorhergesagtem Sturm, gefühlten Temperaturen bis minus 20 Grad und angekündigten Schneemassen an den Berg zum Üben zu schicken … Weit gefehlt! Ein prüfender Blick auf unsere Ausrüstung genügt, und uns wird klar: Für den Winter sind wir nicht ausgerüstet. In größter Eile kaufen wir Primaloft- und Daunenjacken und hoffen, dass uns die vielen Schichten, übereinander angezogen, warmhalten werden. Unseren Hardshell-Layer werden wir besonders lieben lernen.

Nasser Aufstieg zum Basislager – Stüdlhütte

Am 13. Juli 2016 steigen wir vom Parkplatz Lucknerhaus (1920 m) zur Stüdlhütte (2802 m) auf. Es nieselt und zwischendurch kommt auch der ein oder andere Regenguss. Die Alpenwiesen sind saftig grün, gespickt mit einer bunten Blumenpracht. Vielleicht wird es ja doch nicht so winterlich wie angekündigt? Oh doch! Je höher wir steigen, desto größer werden die einzelnen Schneefelder. Zu allem Überfluss zieht jetzt ein Gewitter auf. Eile ist geboten! Durch die Menge an Ausrüstung (Steigeisen, Eispickel, Eisschraube und viele Klamottenschichten) haben unsere Rucksäcke ein für uns ungewohntes Gewicht, das beim Beeilen hinderlich ist. Durchnässt, aber heil kommen wir auf der Stüdlhütte an, die unser Basislager für die nächsten Tage sein wird.

Basics sitzen – auf gehts!

Am nächsten Tag ist das Wetter keineswegs besser. Zwar gibt es kein Gewitter, aber es schneit und stürmt. Langeweile kommt keine auf, denn es gibt einiges an Theorie zu lernen. Eifrig knoten wir den Achter, den Mastwurf und den Sackstich. Gedanklich richten wir uns auf einen gemütlichen Hüttentag ein. Aufgrund der ungewohnten Höhenlage haben wir nicht gut geschlafen und ein ruhiger Tag wäre für uns vollkommen in Ordnung.

Doch Franz, unser Bergführer, hat andere Pläne. Für ihn gilt, es gibt nicht nur gutes Wetter am Berg, und so geht es raus. Draußen herrscht tiefster Winter. Der Sturm pfeift uns um die Ohren und die Flocken fallen so dicht, dass man nicht weiter als einen Meter gucken kann. Wir sind dankbar, dass wir in einer Seilschaft gehen, denn bereits nach einigen Metern haben wir keine Orientierung mehr. Das Wetter kostet Kraft.

Mit jeder Sturmböe geht Energie verloren und der Hunger fängt an zu nagen. Doch eine Pause lassen diese Bedingungen erst recht nicht zu. Also stapfen wir weiter. So muss sich eine Expedition am Everest anfühlen. Schnell haben wir eine zarte Eisschicht im Gesicht, ununterbrochen tropft die Nase. Jeder von uns gibt es irgendwann auf, die Nase hochzuziehen. Stattdessen lassen wir uns vom Sturm helfen, inständig hoffend, dass es den Hintermann nicht trifft. Als erster in einer Seilschaft zu gehen, hat mitunter seine Vorteile.

Spaltenbergung mit der losen Rolle

Das winterliche Wetter bleibt uns auch in den kommenden Tagen treu mit mehr oder weniger Schnee, aber nie ohne starken Wind. Trotzdem üben wir den Umgang mit Steigeisen und Pickel, lernen Gletscherspaltenbergung und Orientierung im Gelände. Mutig »stürzt« sich jeder von uns, am Seil befestigt, in Gletscherspalten und lässt sich von den anderen mittels der losen Rolle »retten«. Zu Beginn ist es ein mulmiges Gefühl, an der Eiswand hängend, metertief nichts weiter als Eis und Schnee zu erblicken. Eindringlich hofft jeder, dass die Retter nicht irgendwas falsch knoten und man plötzlich im ewigen Eis verschwindet. Doch die Seilschaft hat alles unter Kontrolle. Mit Ruhe und Vertrauen kann man die faszinierende Schönheit dieser gefrorenen Welt betrachten.

Glücklicherweise beehrt uns die Sonne für einen kurzen Moment und lässt das Eis in verschiedenen Blautönen wunderschön leuchten. Obwohl wir uns schon seit zwei Tagen in etwa 3000 Höhenmetern bewegen, hat sich bei einigen eine leichte Höhenkrankheit manifestiert. Schlaf- und Appetitlosigkeit sind die Folge. Schade, denn das Essen auf der Stüdlhütte am Großglockner ist vorzüglich. Für die Besteigung des höchsten Berges von Österreich braucht man aber reichlich Energie. Also quält sich der ein oder andere von uns am Abend zuvor durch alle Menügänge. Die Übungstage unseres Hochtourenkurses sind kräftezehrend.

Immer wieder schneit und stürmt es, die Sonne zeigt sich sporadisch. Die Nase rinnt ununterbrochen und der Inhalt wird »vom Winde verweht«. Unser Bergführer hat das Credo »es gibt nicht nur gutes Wetter am Berg« und so üben wir das Setzen von Eisschrauben, das Abseilen, das richtige Gehen mit Steigeisen und die Gletscherspaltenbergung bei sehr winterlichen Verhältnissen.

Das geplante Highlight Großglockner steht auf der Kippe

Die Vorbereitungstouren sind herausfordernd, besonders hinsichtlich der Orientierung. Das geplante Highlight, die Besteigung des höchsten Berges Österreichs über den Normalweg, scheint bei diesen Wetterverhältnissen aussichtslos. Unverhofft haben wir Glück. Unsere Bergführer entscheiden sich, trotz der Wettervorhersage einen Versuch auf dem Großglockner zu wagen. Also genießen wir ein letztes Mal das reichhaltige Abendbuffet auf der Stüdlhütte, das aus mehreren Menügängen besteht und das mit dem in einem teuren Wellnesshotel mithalten könnte. Um 5 Uhr sitzen wir alle beim Frühstück und schaufeln so viel wie möglich in uns hinein. Wie beim Abendessen, so wird auch jetzt viel angeboten. Wir stärken uns mit Müsli, belegten Broten und Obst.

Begleitet von der aufgehenden Sonne, bewegen wir uns eine halbe Stunde später in gleichmäßigem Schritt, aufgeteilt in zwei Seilschaften, über die Gletscherzunge in Richtung versicherter Steig. Zunächst scheint uns das Wetter hold zu sein. Wir genießen den tollen Sonnenaufgang. Wie in den Tagen zuvor bricht bald darauf leider tiefster Winter über uns herein. Bei der Kletterei zur Erzherzog-Johann-Hütte auf der Adlersruhe (3451 m) pfeift uns der Wind um die Ohren. Schneetreiben nimmt uns die Sicht auf unsere Umgebung. Zunächst ist das Kraxeln mit Steigeisen ungewohnt und etwas holprig. Bald schon kommen wir immer besser in Tritt. Zum Glück, denn unsere Bergführer treiben uns wegen der schlechten Wetterverhältnisse zur Eile an. Schnaufend und schwitzend erreichen wir die Erzherzog-Johann-Hütte.

Nach kurzen Zwischenstopp auf der Aldlersruhe gehts bei winterlichen Verhältnissen weiter zum Großglockner 

Wir legen eine Pause ein und warten in der Hoffnung, dass sich der Sturm etwas legt. In der urigen Hütte verputzen wir einen leckeren Apfelstrudel, der unsere Energiespeicher wieder füllt. Weder Sturm noch Schneetreiben lassen nach. Dennoch brechen wir auf zur Route über das bis zu 40 Grad steile Glocknerleitl. Bisher ist niemand von uns in solch steilem Gelände gegangen. Dank unserer »Krallen« kommen wir problemlos voran. Je nach Wetterlage geht man hier über blankes Eis oder auch Schotter. Wir stapfen über eine dicke Schneeschicht. Jetzt kommt der »schmale« Teil des Aufstiegs.

Flink klettern unsere Bergführer über den Grat voraus und sichern uns. Jetzt heißt es ausbalancieren. Und es ist wahrlich ein Balanceakt! Erfassen einen Böen von 60 Stundenkilometern, kommt man unfreiwillig ins Wanken. Doch niemand zögert und rasch erreichen wir den Kleinglockner. »Von hier aus ist es nicht mehr weit«, rufen uns die Bergführer zu und zeigen in die dicke Wolkendecke vor uns. Wir sehen gar nichts. Na, sie werden schon Recht haben. Schließlich kennen sie die Gegend wie ihre Westentasche. Gesichert klettern wir vom Kleinglockner hinab und auf der steilen Scharte unserem Gipfelziel entgegen.

Geschaft! wir sind stolz auf unser erste Hochtour 

Geschafft! Stolz posieren wir vor dem goldenen Gipfelkreuz des Großglockners. Dass wir in eine dichte Wolkendecke gehüllt sind, stört uns nicht. Wir machen Gipfelfotos und freuen uns gemeinsam über das erreichte Ziel. Allein stehen wir auf dem Gipfel. Inzwischen ist es beinahe windstill. Viel zu schnell kommt dann der Moment des Abstiegs. Kaum setzen wir uns in Bewegung, reißt die Wolkendecke über uns auf.

Diese Bergtour werden wir nie vergessen. 

Plötzlich ist der Himmel strahlend blau und die Sonne wärmt uns. Die Aussicht ist atemberaubend. Wir stehen über den Wolken und können an mancher Stelle bis ins Tal schauen. So gefangen nimmt uns dieser Anblick, dass wir aufpassen müssen, vor überschwänglicher Freude nicht vom Grat zu segeln. Völlig aus dem Häuschen, werden wir streng ermahnt, uns zu konzentrieren, wenn auch die Aussicht vom Dach Österreichs derart überwältigend ist. Bereits mittags sind wir zurück im Basislager und feiern fröhlich unseren Gipfelerfolg. Dass wir ein wenig zu ausgiebig feiern, rächt sich am nächsten Tag. Bei der Abfahrt über viele Serpentinen vom Lucknerhaus zurück ins Tal, braucht der aufgewühlte Magen die eine oder
andere Haltepause.

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Großglockner 3.798M Hochtour

  • Hochtour Großglockner, Normalweg
  • Startpunkt/Endpunkt: Lucknerhaus P
  • Übernachtung: Stüdlhütte, allerfeinstes Hüttenessen
  • Übernachtungsvariante: Erzherzog- Johann- Hütte 
  • 1800HM/ Distanz 10KM, Schwierigkeit Schwer
  • Gletscher Spaltenreich, Kletterstellen II+, Ausgesetzt
  • Hochtourenausrüstung erforderlich

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Großglockner über den „Normalweg“

Wir parken am Lucknerhaus (1.929 m) und dann beginnen wir den moderaten Aufstieg von 900 Höhenmetern um zu unserem Stützpunkt, der Stüdlhütte (2.800 m) zu kommen. Anschließend laufen wir über eine Forststraße in Richtung Lucknerhütte (2.241 m) und danach über einen schönen und gut markierten Steig. Durch das Ködnitztal gehen wir schließlich immer weiter aufwärts, bis wir nach knapp 3h die Hütte erreichen. Man kann dann als Alternative auch bis zum zweiten Stützpunkt, der Erzherzog-Johann-Hütte (3.497 m) aufsteigen. Zur besseren Akklimatisierung empfiehlt es sich jedoch zunächst weiter unten zu schlafen.

Der Aufstieg von der Stüdlhütte über das Ködnitzkees zur Adlersruhe

Da wir einen Hochtourenkurs gebucht haben, verbringen wir mehrere Tage auf der Stüdlhütte. Dort akklimatisieren wir uns mit Vorbereitungstouren auf den Gipfeln in der Umgebung. Erst am vorletztem Kurstag steigen wir auf den Großglockner. Noch im Dunkeln um 05:30 Uhr beginnen wir mit dem Aufstieg, indem wir zunächst die Moränen und später dann den Ködnitzkees querend. Durch den Wintereinbruch ziehen wir die 

Steigeisen gleich zu Beginn der Tour an, das Seil benutzen wir erst am Gletscher. Der Ködnitzkees verläuft erst flach, bis er gegen Ende immer steiler wird und wir vor einer Felsschulter stehen. Ab hier beginnt ein versicherter, mittelschwerer Steig über den Felsgrat, welcher auf der Adlersruhe endet. Wir kehren kurz in die Erzog-Johann Hütte ein und befreien uns von unnötigen Gepäck, bevor wir uns an den schwierigen Teil des Anstieges wagen.

Es wird steiler und luftiger am Großglockner

Das bis zu 40° steile Glocknerleitl ist eine kraftzerrende Herausforderung, zumal wir in dem tiefen Schnee immer wieder einbrechen. Aber auch im Sommer ist dieser mit Blankeis gezierte Abschnitt kein einfaches Unterfangen. Sicheres Steigen und Seilhandling sollten hier beherrscht werden. Der Weg über diese Flanke endet in einer kleinen Scharte am Südostgrat des Kleinglockners, den wir zunächst besteigen. Unsere Bergführer sichern uns über die fest montierten Eisenstangen. Luftig geht es vom Kleinglockner hinab zur Glocknerscharte und auf der anderen Seite über ller Kletterstellen wieder hoch – und dann entdecken wir endlich das Gipfelkreuz.

Den Abstieg wählen wir analog dem Aufstiegsweg, nach der Erzherzog-Johann Hütte folgen wir dem versicherten Steig aber noch etwas über unsere Einstiegsstelle hinaus. Erst kurz vor dem Gletscherende steigen wir wieder auf den Gletscher hinab und kehren zur Stüdlhütte zurück.

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