Endlich steht mal wieder eine Mehrtageswanderung an. Denn dieses Mal beschreiten wir den Karwendel Höhenweg. Nachdem durch die letzten zwei Unfälle von Jacqueline innerhalb eines halben Jahres viele Abenteuer ausgefallen sind, ist die Vorfreude besonders groß. Das Karwendel kennen wir durch die Nähe zu München recht gut. Tagestouren wie den Mittenwalder Höhenweg, die Birkkar- und Seekarspitze sind absolut empfehlenswerte Karwendeltouren. Die bizarren Felsformationen und spektakulären Gipfel begeistern uns immer wieder.
Aber geringfügige Zweifel über die Tour bestanden im Vorfeld dennoch. Noch gut in Erinnerung haben wir da die karwendeltypischen Schotterab- und Aufstiege. Die leicht gemachte Tourenplanung des Karwendel Höhenweges über die dichtbesiedelten Berghütten, brachte uns glücklicherweise dennoch dazu es auszuprobieren. Der Höhenweg entpuppte sich als absolute Traumtour. Die Bergtour ist größtenteils als Halbtagestour angelegt. Weshalb es sich empfiehlt, die umliegenden Gipfel einzuplanen. Dadurch kann die Tour individuell und durchaus anspruchsvoll gestaltet werden.
Karwendel Höhenweg Etappe 01 – Von Reith bei Seefeld zur Nördlinger Hütte
Der Wettergott sollte es gut mit uns meinen. Für die nächsten sechs Tage sind nämlich viel Sonnenschein und vor allem trockenes Wetter angesagt.
Mitte September waren auch die meisten Schneefelder geschmolzen, so dass es auf dem gesamten Karwendel Höhenweg wenig kritische Stellen geben dürfte. Bei herrlichstem Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen starten wir in Reith bei Seefeld in Tirol am Nachmittag. Aufgrund des vorangegangen Staus erst gegen drei Uhr. Da aber der Aufstieg zur Nördlinger Hütte nur drei Stunden dauert und für den Hüttengipfel Reither Spitze nur eine weitere halbe Stunde einzurechnen ist, werden wir vermutlich pünktlich eintreffen.
Wir sputen uns beim Aufstieg zur Hütte um den Gipfel noch vor dem Abendessen machen zu können. Dabei kommen wir aufgrund der hohen Temperaturen ordentlich ins Schwitzen. Der Steig 211 führt in Serpentinen zunächst durch den Wald und später durch die Latschenzone. Man gewinnt schnell an Höhe und somit auch an grandioser Aussicht über Seefeld und die dahinter liegenden Gipfel. Der Auftakt gefällt uns schon mal, da sind wir uns einig.
Sonnenuntergang am Gipfel statt Dessert auf der Hütte
Gut gelaunt erreichen wir zwanzig Minuten vor Sechs die Nördlinger Hütte. In dem Glauben gleich zum Gipfel durchzustarten. Da man dabei aber über die Terrasse der Hütte läuft, werden wir unmittelbar vom Hüttenpersonal abgefangen und man ‚zwingt‘ uns zum Check-In und dem nahendem Abendessen dazubleiben. Na gut, Hunger haben wir natürlich und vielleicht ergibt sich nach dem Essen noch ein Zeitfenster. Bis der erste Gang serviert wird vergeht allerdings noch eine Dreiviertel Stunde und der Sonnenuntergang rückt unaufhaltsam näher. Zwischen Hauptgang und Dessert liest der Hüttenwirt den Wetterbericht für den nächsten Tag vor. Alle Karwendel Höhenweg Aspiranten bekommen noch Tipps zur Route. Wir schleichen uns währenddessen raus und brechen zum Gipfel auf. Bei warmen Sonnenuntergangslicht kraxeln wir anregend nach oben. Zwanzig Minuten später erreichen wir den Gipfel, den wir ganz für uns alleine haben. Ein epischer Moment für den man durchaus das Dessert (Kaiserschmarren) sausen lassen kann.
Karwendel Höhenweg Etappe 02 – Von der Nördlinger Hütte zum Solsteinhaus
Auf der zweiten Etappe des Karwendel Höhenwegs tauchen wir so richtig in die Karwendel Bergwelt ein. Von der Hütte führt der Steig in Richtung Osten über die Ostabbrüche der Reither Spitze zum Ursprungssattel. Vis-a-vis einer beeindruckenden Felskulisse durch die man sich auch später bewegen darf. Am Sattel kann man sich entscheiden, den schwierigen und ausgesetzten Freiungen Höhenweg zu nehmen oder über die Eppzirler Scharte zu wandern. Da wir kein Klettersteig-Set dabei haben entscheiden wir uns für die leichtere Variante. Hier erwartet uns das erste Geröllfeld, welches sich in Serpentinen recht gut bewältigen lässt.
Alternative Erlspitze
An der Scharte trifft man wieder auf die Höhenweg-Klettersteigler und kann gemeinsam das mit Kalkschotter gefüllte Höllkar abrutschen. Alternativ kann man von der Scharte zur Erlspitze aufbrechen, sollte aber auch dafür ein Klettersteig-Set dabei haben. Wir laufen daher direkt zum Solsteinhaus durch und erreichen dieses gegen Mittag. Nach einer kurzen Stärkung auf der Hütte, brechen wir mit leichtem Gepäck zu den Solsteinen auf. Für den Großen Solstein (der große Solstein ist kleiner als der kleine Solstein) müssen wir weitere 800 Höhenmeter auf uns nehmen. Aber bei dem gutem Wetter machen wir das doch gerne.
Auch hier sind wir wieder ganz alleine unterwegs und können vom Gipfel einen Blick auf unsere zurückgelegte Strecke werfen. Der kleine Solstein ist vom Gipfel nochmal eine Stunde entfernt (eine Wegstrecke). Wir beschließen daher, es für heute bei einem Gipfel zu belassen. Dafür bleibt noch kurz Zeit sich ins Gras zu legen und den Moment zu genießen. Außerdem erwartet uns am nächsten Tag die längste Etappe des Karwendel Höhenwegs. Am Abend sitzen wir wieder mit den bekannten Gesichtern von der Nördlinger Hütte zusammen. Wir berichten uns gegenseitig von unseren Touren.
Karwendel Höhenweg Etappe 03 – Vom Solsteinhaus zur Pfeishütte
Aufgrund der angegebenen Eckdaten unterschätzen wir die dritte Etappe leicht. Im Glauben weniger Zeit zu benötigen sitzen wir in aller Ruhe beim Frühstück, während alle Karwendel Höhenweg Begleiter bereits die Wanderschuhe schnüren. Wir starten etwa eine halbe Stunde nach den Letzten und glauben diese noch einzuholen. Doch zugegebenermaßen sitzen die Höhenmeter des Vortages noch etwas in den Knochen und es geht langsamer voran als gedacht. Wir treffen den ganzen Tag auf kein bekanntes Gesicht mehr und bekommen das Gefühl nicht los zeitlich stark hinterherzuhängen.
Auf zum Frau Hitt Sattel
Neben diesen Sorgen ist die Etappe jedoch wunderschön, zunächst geht es über einen Steig durch einen Märchenwald. Später ging es dann über versicherte Passagen steil hinauf zum Frau Hitt Sattel. Laut einer Sage soll die markante Felsnadel Frau Hitt, eine Frau auf einem Pferd darstellen. Uns beeindruckt vor allem das riesige Schotterkar indem wir uns völlig einsam bewegen und uns ziemlich klein fühlen. Ab dem Sattel liegt uns Innsbruck zu Füßen und wir folgen dem Schmidhubersteig parallel zu Innsbruck bis zur Seegrube. Hier tauchen wir auf einmal in eine ganze andere Welt ein. Das Areal protzt vor Infrastruktur, mit einer Seilbahn, mehreren Restaurants, lauter Musik und viel Menschentrubel. Eigentlich wollen wir so schnell wie möglich wieder weg. Noch ziemlich viel Strecke lag vor uns und es ist bereits Nachmittag. Aber ein kurzer Espresso muss jetzt sein.
Etwas demotiviert weil noch so viel Strecke vor uns liegt, wandern wir weiter auf dem Karwendel Höhenweg. Dabei verpassen wir leider den eigentlichen Steig zum Hafelekarhaus, womit man noch den Gipfel hätte mitnehmen können. Später auf der Hütte erfahren wir das es einigen Mitwanderern so ging. Nachdem wir wieder an Höhe gewonnen haben, geht es über die Mühlkarscharte wieder auf die nördliche Bergseite und somit wieder ohne Sicht auf Zivilisation weiter. Ab hier schlängelt sich der Bergpfad durch traumhaft wilde Landschaften und die schmerzenden Wanderfüsse geraten etwas in Vergessenheit. Zwei Stunden später erreichen wir endlich die Pfeishütte, wo schon alle auf uns warten. Wir gönnen uns erstmal ein Bier und tauschen mit den anderen ähnliche Erfahrungen aus. Man sollte hier übrigens unbedingt noch duschen, denn die nächste Hütte bietet diesen Luxus nicht.
Karwendel Höhenweg Etappe 04 – Von der Pfeishütte zur Bettelwurfhütte
Für die vierte Etappe gibt es verschiedenste Varianten. Entweder man belässt es bei der Halbtagestour und erholt sich vom Vortag oder man hängt noch den ein oder anderen Gipfel ran. Auch die Variante nach der Bettelwurfhütte gleich zum Hallangerhaus (mit Duschen) weiter zu laufen wurde von einigen Mitstreitern gewählt. Da man sich durch den Höhenweg oft weit oben befindet, bietet es sich an mit wenigen Höhenmetern einige Gipfel zu sammeln. Insbesondere da diese vom Tal ein sehr langer ‚Hatsch‘ wären. Man könnte sogar überlegen zwei Nächte auf der Pfeishütte zu verbringen, da es in der Umgebung wirklich spannende Touren gibt. Das junge Hüttenpaar gibt gerne Auskunft über mögliche Touren.
Die Pfeisspitze mit Kraxelpassagen ist ein muss für geübte und trittfeste Bergwanderer
Wir entscheiden uns zunächst vom Stempeljoch aus, auf die Pfeisspitze zu kraxeln und sind glücklicherweise die einzigen auf der etwas steinschlaggefährdeten Tour. (Helme haben wir wie immer nicht dabei, doch der Hüttenwirt empfiehlt einfach dicht hintereinander zu bleiben) Die kurzweilige Gipfeltour bietet abwechslungsreiche Kraxelpassagen, spannende Tiefblicke und einige ausgesetzte Stellen – absolut reizvoll und empfehlenswert. Vom Gipfel aus könnte man wunderbar auf die Bettelwurfhütte schauen, allerdings versperrt uns eine Wolkendecke die Sicht. Einzig die Spitze des großen Bettelwurfs ragt heraus – den wir dann morgen in Angriff nehmen wollen. Am Joch zurück entscheiden wir uns anstelle des Abstiegs über das Schotterkar noch für einen weiteren Gipfel. Die Große Stempeljochspitze liegt genau gegenüber der Pfeisspitze und bietet nochmal spannende Tiefblicke und Panoramen in das westliche Karwendel.
Dann geht es aber endgültig über das Joch hinunter zum Wilde Bande Steig, wo wir doch noch auf Schneereste treffen. Der Steig geht stetig auf und ab, mit einigen leichten Kraxelmetern bis zum Lafatscher Joch. Ab dort gehen wir über den Steig des Speckkars weiter, der sich ähnlich wie der Wilde Bande Steig gestaltet. Der Weg zieht sich, aber vielleicht liegt es auch an der geringen Aussicht heute. Wir sind jedenfalls froh als wir die Bettelwurfhütte endlich erblicken, auf der wir zwei Nächte eingeplant haben.
Karwendel Höhenweg Etappe 05 – Gr. Bettelwurf
Theoretisch hätte man den Gipfel auf dem Karwendel Höhenweg auch an die vierte Etappe anhängen können. Praktisch war uns die Tagestour dann aber zu lang und wir hätten die anderen zwei Gipfel auslassen müssen. Für uns steht heute nur der eine Gipfel auf dem Programm und somit lassen wir den Tag mal gemütlich angehen. Beim Frühstück ratschen wir noch etwas mit anderen Höhenweg Teilnehmern. Dort erfahren wir, dass auf dem Hallangerhaus keine Mountainbikes für einen schnellen „Abstieg“ zur Verfügung stehen.
Die Saison ist wohl schon beendet. Somit ist unser Plan durchkreuzt, den langen vierstündigen Abstieg über die Forststraße in einer Stunde machen zu können. Nach kurzer Überlegung änderten wir unsere Planung, stornierten die Hallangerhütte. Wir cancelten die Speckkarspitze und planten den kompletten Abstieg ins Tal nach Scharnitz, was definitiv ein langer Tag wird. Aber nachdem wir am Samstag auch noch zu einer Hochzeit eingeladen sind, erscheint uns das als beste Lösung.
Aufbruch zum großen Bettelwurf
Gegen zehn Uhr gehen wir dann den Gipfel Gr. Bettelwurf über den Eisengattergrat an. Die Wolken geben zwar immer noch nur wenig Sicht frei, aber Sonne war ja für heute versprochen. Nach einer kurzen Querung geht die leichte Kraxelei auch direkt los, zunächst ungesichert, aber auch noch nicht sehr ausgesetzt. Nach etwa 45 Minuten kommen uns die ersten und einzigsten Gipfelaspiranten an diesem Tag entgegen und berichten das oben die Sonne scheint. Das motiviert uns natülich, aber die Kletterei macht sowieso Spaß und daher vergeht die Zeit wie im Fluge. Der Weg ist an ausgesetzten Stellen sehr gut gesichert. Ein Klettersteigset ist aus unserer Sicht nicht unbedingt notwendig, nur wenn man sehr unerfahrene Leute mit dabei hat.
Kurz vor dem Gipfel bekommen wir Aussicht vom zweithöchsten Gipfel im Karwendel. Dennir stehen direkt gegenüber von der Birkkarspitze, die wir erst vor einigen Wochen als Biwaktour gemacht haben. Wir genießen ein unglaubliches Panorama über unzählige Gipfel des Karwendel. Zum Glück haben wir hier noch ganz viele Gipfel vor uns.
Nur schwer können wir uns von der Aussicht lösen, aber Kaffee und Kuchen auf der Sonnenterrasse der Bettelwurfhütte reizen uns dann doch.
Am Abend erzählt uns ein Pärchen euphorisch von ihrer Tour auf die Speckkarspitze. Sie sagten das wir den Gipfel unbedingt besteigen sollten. Unglücklicherweise hatten wir diesen Gipfel heute morgen gestrichen. Für die letzte Etappe lag eh schon einen 25 km Marsch vor uns. Noch etwas scherzhaft behaupten wir, dass es auf 8 oder 10 h Wanderung nun auch nicht mehr ankommt und wir morgen früh darüber entscheiden.
Karwendel Höhenweg Etappe 06 – Bettelwurfhütte – Hallangerhaus – Scharznitz
Beim Frühstück bekräftigt das Pärchen erneut wie toll die Bergtour auf die Speckkarspitze war. 11h Sonne war für unsere letzte Etappe angesagt. Kurzerhand entscheiden wir uns sofort aufzubrechen (diesmal als erstes) und den Gipfel noch dranzuhängen. So früh unterwegs zu sein hat auch den Vorteil die Tierwelt für sich zu entdecken. Jede Menge Gämse begrüßen wir mit einem Gutem Morgen. Kurz vor dem Joch treffen wir auch auf die erste Menschengruppe, unter denen sich lustigerweise Heinz Zak befand.
Nach 1:45 h erreichen wir bereits das Lafatscher Joch und legen eine zehnminütige Pause ein um kurz den Gipfelweg am Karwendel Höhenweg zu checken. Ja wir probieren es, hieß die Entscheidung und schon sind wir auf dem Weg. Zum Glück ist der Marc bei allen Schandtaten dabei. Die Besteigung hat es schon etwas in sich, der SW-Grat ist zum Teil sehr ausgesetzt, völlig ungesichert aber absolut spannend. Euphorisiert kommen wir am Gipfel an, wo bereits ein Bergmadl die Aussicht genießt. Wir kommen ins Gespräch und zeigen uns gegenseitig die Gipfel die wir kennen. Dabei erhalten wir den Tipp in die Hallangeralm einzukehren. Diese befindet sich in einer einzigartigen Lage und hat eine hervorragende Küche. Den Tipp beherzigen wir gerne und stärken uns nochmal ausgiebig in dieser herrlichen Kulisse. Gut gestärkt, wagten wir uns dann an den vierstündigen Abstieg über die Forststraße.
Besuch am Isar- Ursprung
Zugegebenermaßen wäre hier zum Abschluss des Karwendel Höhenweg ein MTB schon fein, allerdings ist der Weg der am Ursprung der Isar lang führt wirklich sehr schön. Die Isar ist hier unglaublich klar und türkis schillernd. Gegen acht Uhr abends, nach guten 31 km und knapp 900 Höhenmetern erreichen wir erschöpft den Bahnhof Scharnitz. Zehn Gehstunden waren wir unterwegs. Die nächste Pizzeria muss jetzt herhalten, da sind wir uns einig. Beim schönsten Sonnenuntergang der Woche genießen wir unser wohlverdientes Abendbrot. Wir schwärmen nochmal von diesen traumhaften Bergtagen, die wir erleben durften.
Insidertipp:
Wer nicht immer auf die gleichen Gesichter am Abend treffen möchte, geht die Runde anders herum als auf der Homepage vorgeschlagen.