Unterwegs auf den Spuren der Römer
Von einer Mehrtagestour mit dem Bike träumte ich schon lange. Da auch eine Alpenüberquerung immer ein großer Wunsch war, lag es Nahe diese beiden Träume zu kombinieren. Bei meinen Recherchen bin ich auf die Via Claudia Augusta gestoßen – eine der leichtesten Alpenüberquerungen, die auch für Einsteiger geeignet ist.
Planung
Die ehemalige Handelsroute der Römer führt in ca. 700 km von Donauwörth, Bayern über die Alpen an die Adria oder an den Po. Für die gesamte Strecke (ca. 12 Etappen) haben wir nicht ausreichend Zeit, daher werden Start- und Endpunkte angepasst und die flachen Streckenabschnitte gestrichen – ohne Anstrengung es ja langweilig. Unsere Tour soll daher von München an den Gardasee gehen.
Stellt sich noch die Frage nach der richtigen Ausrüstung. Bei einigen Testfahrten rund um München stieß ich bergauf mit meinem Trekkingrad an seine Grenzen, vor allem auf den nicht asphaltierten Untergründen. Daher kaufte ich kurz vor der Tour doch noch ein Mountainbike. Eine vernünftige Schaltung, Scheibenbremsen und ein ordentliches Reifenprofil machen doch deutlich mehr Spaß. Da die Fahrperformance mit seitlichen Gepäcktaschen enorm abnimmt, entschieden wir uns nur einen Rucksack mitzunehmen. Den Fahrradrucksack Escapist 32 von Osprey können wir sehr dafür empfehlen!
Etappe 01 der Via Claudia Augusta: München – Ehrwald – Landeck
Mit dem Zug schummeln wir die ersten Kilometer von München nach Ehrwald. Dann geht es aber gleich knackig los, denn der erste Pass der Via Claudia Augusta muss überwunden werden. Knapp 700 Höhenmeter und 60 Kilometer erwarten uns heute bei der Überquerung des Fernpasses. Dabei kommen wir an wunderschönen Bergseen wie dem Blindsee und dem Weißensee vorbei. Die Radlstrecke zum Fernpass verläuft meist auf Schotterwegen durch den Wald, die recht kräftezehrend sein können. Hier macht es sich für uns das erste Mal bezahlt nur mit Rucksack zu reisen, denn wir überholen einige Radfahrer die vollbeladen ihre Räder hochschieben müssen.
Den höchsten Punkt am Fernpass mit 1.274 m der Via Claudia Augusta erreichen wir schneller als gedacht und es folgt eine berauschende Abfahrt auf der alten Römerstraße durch den Wald, vorbei an steilen Felswänden und tollen Tiefblicken ins Tal. Danach geht es gemütlich nach Imst weiter, wo man unbedingt einen Abstecher zur Rosengartenschlucht einlegen sollte. Der Ort selber ist malerisch und direkt vom Zentrum aus beginnt die Wanderung durch die Schlucht. Von Imst geht es dem Fluss Inn folgend weiter nach Landeck, wo unsere erste Etappe endet. Eine einfache Unterkunft mit guter Küche und sehr gutem Frühstück bietet der Schwarze Adler.
Etappe 02: Landeck – Reschenpass – Nauders
Beim Frühstück treffen wir auf andere Mountainbiker mit dem gleichen Ziel am Freitag am Gardasee anzukommen, sie fahren über die Albrecht Route. Wir spaßen herum und sind gespannt wer von uns am Freitag zuerst da ist. Nach dem sehr guten Frühstück starten wir unsere Etappe nach Nauders über die Fließer Platte. Es geht gleich steil nach oben, was mit unseren vollgestopften Mägen auf der Via Claudia Augusta etwas schwer fällt. Es gibt hier auch eine leichtere Variante im Tal die dem Flusslauf folgt. Doch die historisch bedeutsame Fließer Platte sollte man sich nicht entgehen lassen, denn hier werden die Spuren der Römer ganz besonders deutlich. Natürlich muss man das Rad hier schieben, oder ausgezeichnete Fahrkenntnisse haben.
Aber was wäre eine Transalp ohne Schiebestrecken?
Zur Belohnung geht es danach wieder bergab und wir kommen auf die Original Etappe dem Inn folgend, der die natürliche Grenze zwischen Schweiz und Österreich darstellt. Bevor es auf der Schweizer Seite weitergeht, machen wir nochmal einen Abstecher auf die Originalroute Via Claudia Augusta und finden uns im Wald auf traumhaften Trails über dem Tal wieder. Seitlich von uns geht es steil herab, so dass wir manchmal lieber schieben.
Ab dem Via Claudia Augusta See geht es über Straßen in der Schweiz weiter, die teilweise durch kurze Tunnel (Galerien) führt. Wenig Autoverkehr rollt hier nicht und wir sind froh als wir auf die Straße zum Reschenpass abbiegen dürfen. In elf Kehren geht es ebenfalls auf einer Straße über die Norbertshöhe den Reschenpass herauf, hier fahren aber wirklich wenig Autos und die Steigung ist im Vergleich zum Fernpass angenehm fahrbar.
Nach den Darstellungen in dem Kartenmaterial hatten wir uns das schlimmer vorgestellt. Nur die Hitze unter dem Helm macht uns zu schaffen, daher legen wir zwei Fotopausen ein. Die letzten zwei Kilometer bis Nauders auf der Via Claudia Augusta geht es wieder bergab und wir kommen in einem zauberhaften Ort an, der anscheinend ein Bikeparadies im Sommer und ein Skiparadies im Winter ist. Unser Hotel mit Wellnessbereich, mitten im Zentrum und umgeben von Bergen ist ein Traum und bietet ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis. Daher gönnen wir uns das Vier-Gänge-Menü, Belohnung muss sein! Beim Abendessen regnet es mal wieder, wie auch schon am Vorabend.
Tip: Es gibt über alle Pässe auch einen Bikeshuttle, falls einem die Kräfte ausgehen oder Unwetter einsetzt.
Etappe 03 der Via Claudia Augusta: Nauders – Reschensee – Bozen
Heute geht es nach Italien, denn Nauders liegt nur fünf Kilometer von der Grenze entfernt. Die heutige Etappe zeichnet sich durch perfekt ausgebaute Radwege aus, was für unsere längste Etappe mit 120 km definitiv von Vorteil ist. Hinzu kommt noch, dass es ab dem Reschensee fast nur noch bergab geht, da tun einem glatt die Finger vom Bremsen weh. Ein bisschen Mitleid haben wir mit den Entgegenkommenden, aber sie haben sich ja die Route so ausgewählt! Das Vinschgau ist wirklich malerisch, mit seinen Seen, den Obstplantagen an denen man hervorragend Proviant einstecken kann, den Biotopen und dann noch dieser atemberaubende Blick auf die höchsten Gipfel Südtirols. Zwei bekannte Gipfel erkenne ich sofort wieder; auf denen wir vier Wochen vorher waren: Cevedale und die Zufallsspitze. Davor zeigt sich etwas schüchtern in Wolken gekleidet der König Ortler.
Bis nach Meran folgen wir der „Fahrradautobahn“ der Via Claudia Augusta entlang der Etsch, dieser Streckenabschnitt ist sehr leicht und aufgrund der Landschaft und der vielen Burgen beliebt. Kurz vor Meran überqueren wir die Etsch und biegen somit in Richtung Bozen ab. Ab hier sind es nochmal ca. 30 km, die sich aufgrund der Weinberge und dem ständigen Auf- und Ab ganz schön in die Länge ziehen. Unsere Unterkunft liegt fünf Kilometer vor Bozen mitten in Apfelplantagen, womit unser Abendessen geklärt wäre.
Natürlich machen uns so ein paar Äpfel nicht satt und wir ziehen nochmal los um eine Pizzeria aufzusuchen. Es regnet mal wieder wie aus Gießkannen als wir essen. Auf dem Rückweg beten wir, dass die um uns liegenden Gewitter schön brav an Ort und Stelle bleiben. Einigermaßen trocken kommen wir an unserer Unterkunft Mele d‘Oro an, mussten aber einen Stromausfall im Haus und im gesamten Tal hinnehmen.
Pausentag in der Hauptstadt Südtirols: Bozen
Nach den abolvierten 120 km mit dem Radl, darf sich der Hintern mal erholen. Schließlich gibt es sowohl in der Stadt als auch in der Umgebung wahnsinnig viel zu sehen. Entspannt starten wir auf unserer sonnigen Terrasse mit ein paar Cappuccino in den Tag. Wenig später schlendern wir durch die Gassen in Bozen und kosten die Südtiroler Spezialitäten vom bunt gemischten Markt. Den berühmten Ötzi im Archäologiemuseum besuchen wir bei dem traumhaften Sommertag nicht. Dafür geht es aber entlang dem Fluss Talfer in einer knappen halben Stunde zum Schloß Runkelstein, eine noch sehr gut erhaltene Burg aus dem Mittelalter.
Hoch über der Talfer gelegen, hat man eine sehr gute Sicht auf Bozen und unser nächstes Ziel: Schloß Sigmundskron. Die in den Fels gebaute Burg ist eines der sechs Museen von Reinhold Messner und leider sieht man ohne einen Besuch der Ausstellung nicht viel von ihr. Da wir eine Stunde vor Schließung des Museums da sind, handeln wir den Eintrittspreis ein wenig nach unten und können uns doch noch die Burg anschauen, was sich definitiv lohnt.
Auch die Ausstellung ist sehenswert, vor allem die detaillierten Modelle aller 8000er Gipfel inklusive Gletscherspalten, sind faszinierend. Und als ob das nicht schon genug Grund der Freude gewesen wäre, treffen wir plötzlich noch auf Reinhold Messner persönlich, der für ein Interview da ist. Gespannt hören wir ihm eine gute viertel Stunde zu, machen ein paar Fotos und freuen uns über unser perfektes Timing. Den Abend lassen wir statt mit dem berühmten Südtiroler Knödeltris, mit dem neu erfundenen Knödelquartett ausklingen. Ja, so ein Sightseeing-Tag kann auch sehr hungrig machen.
Etappe 04: Bozen – Trento
Heute geht es weiter nach Trento und wir freuen uns nach dem eingelegtem Wandertag wieder auf unsere Bikes zu dürfen. Da wir über den Kalterer See fahren wollen, weichen wir hier leicht von der Originalroute ab, die normalerweise an der Etsch lang führt. Dafür suchen wir uns nochmal ein paar Trails im Wald aus, wo die ein oder anderen Hindernisse und damit auch Schiebestrecken auf uns warten. Das Gelände und technische Fahrtspiel macht Spaß, nur vorwärts kommen wir kaum. Am See angekommen, müssen wir leider feststellen das hier kein kostenloses Baden möglich ist. Alle Grundstücke befinden sich im Privatbesitz. Wir verhandeln, dass wir unsere Füße kostenlos zehn Minuten abkühlen dürfen.
Ab dem Kalterer See geht es auf gut ausgebauten Radwegen weiter, für Versorgung ist dank der Apfelplantagen wieder mal gesorgt. Immer der Etsch folgend kann man das Etappenziel Trento gar nicht verfehlen. Nach einer kurzen Dusche im Hotel, wollen wir die Hauptstadt des Trentino besichtigen. Herrliches italienisches Flair mit beeindruckenden Bergpanoramen ringsherum erwartet uns, als wir über den Domplatz spazieren. Natürlich gibt es heute bei uns Pizza und Gelato zum Abendessen.
In Trento teilt sich übrigens die Via Claudia Augusta. Die bergige Variante führt nach Venedig, die gemütliche Variante führt nach Verona weiter durch das Etschtal. Wir verlassen hier die Route, da wir uns an den Gardasee möchten.
Etappe 05 der Via Claudia Augusta: Trento – Gardasee
Auch für diese Etappe gibt es prinzipiell zwei Varianten. Die erste führt über die Rovereto durch das Tal mit wenigen Höhenmetern und Kilometern auf Radwegen. Unsere Variante führt über den Monte Bondone in das Sarcatal, das Tal der Seen. Die extra Höhenmeter lohnen sich in jedem Falle. Auf Holzstegen fährt man ganz nah am Ufer des Lago di Toblino lang, kommt an einem Castell aus dem 13. Jahrhundert und an der wild rauschenden Sarca vorbei, wo man am liebsten reinspringen würde.
Am Cavedine See legen wir nochmal eine kurze Pause ein, bevor es für uns Endspurt heißt. Eine Stunde später laufen wir an unserem Ziel ein und freuen uns riesig über unseren Erfolg. Das Baden im Lago wird allerdings auf den nächsten Tag verschoben, da sich Gewitter über uns ankündigt. Aber eine Abkühlung im Pool lassen wir uns nicht entgehen, das haben wir uns schließlich verdient. Genauso wie die Pizza am Abend in Riva del Garda, wo überall Musik gespielt wird. Auf der Stadtpromenade treffen wir dann plötzlich auf unsere beiden Radler von Landeck, was für ein riesiger Zufall. Wir beglückwünschen uns gegenseitig zu unserer Leistung und feiern uns ein wenig. Wir waren übrigens zuerst am Gardasee, allerdings ist die Albrechtroute auch um einiges anspruchsvoller.
Rückreise: Gardasee – Rovereto
Da unser Zug von Rovereto nach München erst am späten Nachmittag fährt, nutzen wir den Vormittag noch um in den Gardasee zu springen und einfach mal nichts zu tun. Die Sonne meint es gut mit uns und der Tag rundet die Reise perfekt ab.